Johan Dietrichsen

Fachautor mit einem Master in Gesundheitswissenschaften und Naturheilkunde

Inhaltsverzeichnis

THC und CBD sind die bekanntesten Cannabinoide im Hanf. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass die Pflanze noch über 100 weitere Cannabinoide und zahlreiche andere Verbindungen wie Terpene und Flavonoide enthält. Das wäre allerdings ein Fehler – denn genau diese Kombination macht die Hanfpflanze so einzigartig und medizinisch wertvoll.

Werden die einzelnen Bestandteile gemeinsam eingesetzt, so wie es zum Beispiel in einem Vollspektrum CBD-Öl der Fall ist, kommt es zu Synergieeffekten. Die einzelnen Bestandteile verbessern – einfach ausgedrückt – ihre Wirksamkeit. Das kann man sich wie eine sehr gute Teamarbeit vorstellen.

Der Fachbegriff für diese Synergieeffekte zwischen Cannabinoiden und anderen Verbindungen in der Hanfpflanze lautet „Entourage-Effekt“. Wir erklären dir das spannende Zusammenspiel noch einmal im Detail.

Geschichte des Entourage-Effekts

Erste Hinweise auf gewisse Synergieeffekte von Hanf gab es bereits in den 70er Jahren. Forscher fanden damals heraus, dass THC und CBD gemeinsam eine andere Wirkung zeigen als isoliert. Das „High“-Gefühl, das durch die Einnahme einer Kombination entstand, schien angenehmer zu sein als bei reinem THC. Weitere Studien folgten und schließlich kam der Durchbruch Ende der 90er Jahre durch den israelischen Wissenschaftler Raphael Mechoulam. Er konnte erfolgreich belegen, dass die Cannabinoide in der Hanfpflanze sich gegenseitig begünstigen. Mechoulam war es auch, der diesem Zusammenspiel den Namen „Entourage-Effekt“ verlieh. Das Wort „Entourage“ kommt dabei aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Umgebung“ oder „Umfeld“.

Dass zum Umfeld der Hanfpflanze nicht nur die Cannabinoide gehören, wurde dann später durch den amerikanischen Wissenschaftler Ethan Russo bekannt. Der Arzt, der sich vor allem in der Hanfindustrie einen Namen gemacht hat, forschte weiter zum Entourage-Effekt und konzentrierte sich dabei auch auf die Terpene. Mit seinen Studien konnte er nicht nur bestätigen und festigen, was das Team um Mechoulam bereits zuvor herausgefunden hatte. Vielmehr zeigte er auch, dass besonders die Terpene in der Pflanze eine essentielle Rolle beim Entourage-Effekt spielen. Nachdem er sich auf diese Gruppe der pflanzlichen.

Der Entourage-Effekt beschreibt also das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Pflanzenbestandteilen. Aber was bedeutet das nun genau?

Wie du weißt, verfügen viele Verbindungen im Hanf über gewisse positive Effekte. CBD weist zum Beispiel eine schmerzstillende, entzündungshemmende und beruhigende Wirkung auf. CBG hingegen ist besonders für seine antibakteriellen Eigenschaften bekannt, während CBN sich noch durch das Potential, den Augeninnendruck abzusenken, charakterisiert. Auch den Terpenen werden gewisse gesundheitsfördernde Effekte nachgesagt. Limonen soll bspw. angstlösend und stimmungshebend wirken ( Mehr hierzu findest du im folgendem Blogbeitrag: Cannabinoide - Wertvolle Verbindungen der Hanfpflanze).

Kommen all diese Verbindungen nun zusammen, dann verstärken sie ihre jeweiligen Eigenschaften und beeinflussen ihre Wirkung auf positive Weise. Oder um es in der Fachsprache zu sagen: die Verbindungen erhöhen ihre gegenseitige Bioaktivität und Bioverfügbarkeit.

Die Bioaktivität beschreibt dabei den Einfluss einer Substanz auf einen Organismus, also in dem Fall auf den menschlichen Körper. Während manche Stoffe einen sehr starken Effekt auf uns haben, ist dieser bei anderen Substanzen eher gering. Die pflanzlichen Verbindungen im Hanf haben also das Potential die Bioaktivität gewisser Cannabinoide zu verstärken.

Die Bioverfügbarkeit hingegen beschreibt, wie viel Prozent einer Substanz von einem Organismus aufgenommen und verarbeitet werden können. Auch das ist Teil des Entourage-Effekts. So unterstützen manche Verbindungen aus der Hanfpflanze andere dabei, besser die körpereigenen Systeme zu passieren und dort aktiv zu werden. Ein Beispiel dafür ist das Terpen Myrcen. Dieses beeinflusst die körperliche Blut-Hirn-Schranke insofern, dass andere Stoffe sie besser passieren können.

Neben der Erhöhung der Bioaktivität und Bioverfügbarkeit, hat der Entourage-Effekt aber auch noch eine andere Seite. Denn wie die ersten Hinweise aus den 70er Jahren zeigten, sorgen manche Inhaltsstoffe der Entourage dafür, dass die negativen Effekte anderer Stoffe abgeschwächt werden. Dies ist bspw. der Fall bei THC, das bei gemeinsamer Einnahme mit CBD deutlich weniger Nebenwirkungen zeigt

Welche Stoffe kommen beim Entourage-Effekt zusammen?

Die größten Synergien finden laut bisherigem Wissensstand zwischen den Cannabinoiden und den Terpenen (z.B. Myrcen, Limonen, Pinen) statt. Beide Gruppen haben wir dir bereits im Detail auf unserem Blog vorgestellt. Daher sollen sie an dieser Stelle nur noch einmal kurz beschrieben werden.

Cannabinoide sind unbestreitbar die wichtigsten Verbindungen in der Hanfpflanze. Diese ursprünglich als Säure vorliegenden Stoffe kommen sowohl im Hanf (Phytocannabinoide), als auch in unserem Körper (Endocannabinoide) vor. Sie interagieren hauptsächlich mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System und entfalten so verschiedene positive Wirkungen.

Auch Terpene haben einen hohen Stellenwert in der Hanfpflanze. Bei ihnen handelt es sich um Kohlenwasserstoffverbindungen, die für das Aroma zahlreicher Pflanzen und Früchte verantwortlich sind. Sie sorgen bspw. für den charakteristischen Geruch von Lavendel, Minze oder Zitrusfrüchten. 

Neben en Cannabinoiden und Terpenen spielen aber auch die Flavonoide eine Rolle in der Hanfpflanze. Bei dieser dritten Gruppe handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe, von denen die Wissenschaft bereits über 8.000 Stück identifiziert hat. Sie sind hauptsächlich für die Farbe von Pflanzen bzw. bestimmten Pflanzenteilen verantwortlich, beeinflussen aber auch deren Geschmack. Dabei befinden sich die Flavonoide nur in den oberflächlichen Pflanzenteilen, also jenen außerhalb der Erde bzw. den nach außen gewandten Flächen. Denn die Stoffgruppe hat vorrangig eine Schutzfunktion inne. Einerseits schützen sie die Pflanze vor schädlichen UV-Strahlen und locken Bestäuber an. Andererseits wehren manche Flavonoide Fressfeinde ab, indem sie schlecht verdaulich oder giftig sind.

 

Im Gegensatz zu den Cannabinoiden sind Flavonoide zwar nicht psychoaktiv, allerdings konnten auch bei ihnen einige gesundheitsfördernde Eigenschaften nachgewiesen werden. So haben sie unter anderem eine antioxidative, entzündungshemmende und krampflösende Wirkung. Außerdem fördern manche Flavonoide die Durchblutung.

Wo kommt der Entourage-Effekt bereits zum Einsatz

Das beste Beispiel für den Entourage-Effekt ist natürlich ein Vollspektrum CBD-Öl, aber auch in der Pharmaindustrie hat man bereits das Potential des Entourage-Effekts erkannt und sich zunutze gemacht.

So konnte ein sehr großer Erfolg mit dem Medikament Sativex eingefahren werden. Dieses wird bei schweren Formen von Multipler Sklerose verschrieben und enthält eine hohe Dosis THC. Um sicherzustellen, dass dadurch keine Nebenwirkungen auftreten, enthält Sativex zusätzlich CBD. Das Cannabinoid sorgt dafür, dass die Patienten keine Paranoia und andere unerwünschte Folgen des THC verspüren. Denn das war vorher oft der Fall und nicht wenige klagten bei der Einnahme von Medikamenten auf reiner THC-Basis über die zu starke und unangenehme Wirkung.

Trotz allem muss man allerdings anmerken, dass es bisher kein Medikament gibt, dass alle Stoffe der Hanfpflanze vereint und nutzt. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies ändert, wenn die Forschung rund um den Entourage-Effekt noch weiter vorangetrieben wird.

Frederic Iselt